Außer Reichweite sein.

Die Lichtbilder des Bildhauers Dieter Eidmann

Die Ausstellung von Fotoarbeiten des seit 1994 in Aschersleben arbeitenden Bildhauers Dieter Eidmann im Soziokulturellen Zentrum Greifswald zeigte neben Zeichnungen und Kalligraphien LichtBilder, die neben diesen Arbeiten und den nicht ausgestellten Plastiken und Skulpturen als eigenständiges künstlerisches Medium fungieren, jedoch in der ganzheitlichen Schau besonders auf das bildhauerische Wirken des Künstlers verweisen.

Die Fotos zeigen ungewöhnliche Ansichten aus ungewöhnlichen Blickwinkeln an der Grenze fotografischer Möglichkeiten in dokumentarischer Absicht, ohne jedoch ihren Gegenstand, das situativ-Wiedererkennbare, ganz aufzugeben.

Doch geht es in den Schwarz-Weiß-Fotografien, (alle sind Unikate) nicht um eine authentische Abbildung der Realität, sondern um die Darstellung einer neuen, Wirklichkeitssicht: Die Lichtbilder zeigen Spuren menschlicher Existenz durch inszenierte Darstellungsformen, bilden ein Arrangement, das eine Beziehung zu anderen Medien (wie zum Beispiel zum Bühnenbild), herstellt und so die Phantasie des Betrachters auf den Weg bringt.

In ihrer offengehaltenen erzählerischen Abfolge sind die Fotos von einer emotionalen Gestimmtheit geprägt, die sich als Ganzes im Bewußtsein des Betrachters immer wieder neu deuten läßt. Menschen werden nie direkt dargestellt, sondern in Verfremdungen, die in der Folge auf neue Zusammenhänge verweisen – ein Angebot für neue Orientierungen des Visuellen Denkens.

Auch die beiden Fotoserien sind von der Haltung einer ostasiatischen künstlerischen Gattung beeinflußt: In ihrer Klarheit, offenen Deutungskraft und Ausgewogenheit, die einander ohne Vermischung überblenden, liegt ihnen die Grundstimmung des Haikus zugrunde, ein japanisches Kurzgedicht, die Einheit aus Wort, Bild und Klang, das als Grundbaustein in der ersten Zeile auf eine gegenwärtige und objektiv wahrnehmbare Jahres-oder Tageszeit einstimmt, in der zweiten Zeile mit dem einfachen Erkennen eines Begriffs oder einer Wahrnehmung so verbindet, daß in der Überblendung beider Bilder ein Drittes in der dritten Zeile und im Inbild des Leser-Betrachters entsteht, das innerlich gefüllte, äußerlich sichtbare und doch Unsagbare: ein Ideogramm, das Mikrokosmisches und Makrokosmisches simultan “schaltet”, und kosmische Harmonie ahnbar werden läßt, doch nie ganz ein-und aufgelöst in fragloser Vollkommenheit – immer bleibt ein Rest, der sich aufgespart haben muß für Anlässe, die immer neu gebunden werden müssen, ehe sie Worte und Bilder markieren können, in ephemerer Gegenwärtigkeit.

Ein Beispiel, das das Gemeinte zu verdeutlichen sucht: Das Bild eines Wassers in herbstlicher Dämmerung, das Bild eines Auges. Im Überblenden dieser beiden Bilder, wobei jedes seinen Selbststand behält, vermitteln sich Tränen, synthetisches Bild des Unsagbaren.
Das abendländische Mahnen: Rede, daß ich dich höre, weicht dem morgenländischen Schweige, daß ich dich verstehe. Und dieses dritte Bild, der Rest zwischen Vergangenheit und Zukunft, die reine (wie immer vorstellbare und erreichbare) Gegenwärtigkeit, ist das Fortsetzungs-und zugleich Anfangsbild für ein Weitergehen-und Sehen in unvordenklichen Spuren, – so sind die beiden Lichtbilderserien von Dieter Eidmann lesbar möglicherweise, wenn die eigene Betreffbarkeit offengehalten bleibt.

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