Von der Fotografie zur Skulptur
Autorin: Angelika Janz

Der Fotograf, Maler und Bildhauer Dieter Eidmann dokumentiert in seiner über 50-jährigen Werkbiografie eindringlich und oft überraschend die Diversität und Vernetzung von Bild und plastischem Werk, von Fotografie, Skizze, plastischem Modell, Schmuckobjekten, schließlich und im Hauptwerk „Archiskulptur/Archiplastik“ und Steinskulptur bis hin zur späteren Kalligrafie und Gouache ab 1995.

Eine „logische“ Konsequenz der Gipsmodelle, die als autonome Kleinplastiken erst spät vom Künstler als diese akzeptiert wurden, waren die größeren an menschlichen Körperrelationen orientierten Archiskulpturen bzw. Archiplastiken,  die dem Entwurfshorizont einer größeren, ja architektonischen autonomen Arbeit bzw. eine sich über ca. 10 Jahre hinziehenden Arbeitsreihe angehörten.

Es entstanden strahlend weiße, auch zweiteilige Plastiken mit schwingenden, fein modellierten und gespannten Oberflächen im Formenspiel geometrischer und organischer Durchdringungen: Ephemer anmutende „Gehäuse“ (also keine Kernplastiken), die in ihrer erhabenen Ausstrahlung  – im fast blendenden Weiß – Visionen raumgreifender sakraler Architekturen auslösen. Die aber auch, losgebunden von allen Zwecken und Bestimmungen, Räume, Plätze und Landschaften als Orte für Ruhe und Meditation neu einstimmen können. Sie vermitteln, durch vage Öffnungen wie Schnitte und somit die Möglichkeit der „Innenschau“, das Prinzip der Formdurchdringung: Man schaut unter die Oberfläche, unter die Haut der Plastik in den kubistisch anmutenden Innenraum. Die Innenform vermittelt eine neu dimensionierte Gestalt der Plastik, die sonst niemand zu Gesicht bekommt.

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Im Gegensatz zur nahezu kalkulierten Sorgfalt, zu der weitgehend gerätetechnik-fernen, „analogen“ Langsamkeit der Entwicklung und Entstehung der Steinskulpturen finden die kalligrafischen Arbeiten und die Gouachen in Minuten- manchmal in Sekundenprozessen ihr entschiedenes Gelingen. In äußerster Konzentration auf das leere Blatt und die erste avisierte Farbe auf dem Pinsel, oft mit dem Sand der Granitskulpturen vermischt, in „Spannungshaltung by accidence and by chance“ –  für ein glückliches Gelingen –   finden die Werke ihre starke Präsenz*, ohne wirklich „gesucht“ worden zu sein. Während der Künstler oft wochenlang an Entwürfen seiner Plastiken und Skulpturen mit zahlreichen Zeichnungen und Modellen arbeitet, gibt es hier außer der mentalen, meditativ gestimmten Haltung keinen Vorlauf. Die Bilder entwickeln ihre Wirkkraft und Tiefe, je länger man sie anschaut.

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Es sind von Farben gefundene „plötzliche“ Bilder der Skulpturen und Plastiken in einer personalen Vernetzung zum Künstler Dieter Eidmann –  sie enthüllen einen unerwarteten Wesenszug des Künstlers: Heiterkeit und Leichtigkeit, enthoben aller oft noch immer geforderten ästhetischen Verpflichtung zu Harmonie und Kolorit,  Humor und eine bisher unbekannte Farben-Freude in ungewöhnlichen Kombinationen, die er mit den instinktiven Pinselbewegungen und mit geschärften Sinnen auszudrücken vermag. Sie zeigen seine Fähigkeit, verschiedene künstlerische Aufgabenstellungen mit verschiedenen Techniken interdisziplinär und  experimentell umzusetzen und auszuleuchten.

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Der Stein selbst hat eine millionenalte Geschichte – seine durch Dieter Eidmann ihm gewidmete gegenwärtige und individualisierte Gestalt könnte seine erste bewusst bearbeitete und zugleich die letzte sein, bevor er in seine geologische Anonymität zurückgelangt.  An den Granitskulpturen arbeitete er klassisch und auf Augenmaß anhand seiner Gipsmodelle mit Hammer und Meißeln und zum Ende hin aufwendig oft monatelang mit Diamantschleifpapieren. In den plastischen Werken von Dieter Eidmann, ob in den Granitsteinen oder in den Gipsplastiken, gilt es, das Verborgene aufzuspüren und zugleich wieder zu verbergen, dort, wo im Inneren der vorgestellten Objekte die angedeuteten Formen einander „im Unsichtbaren“/Vorgestellten, überschneiden und durchdringen. Die Oberfläche der plastischen Werke, ob in Stein oder Gips, zeigt sich gespannt wie eine Haut über einem lebendigen, in Ruhe bewegten und pulsierenden Körper, ohne an die Grenze der Realtäuschung zu gelangen. Der Blick ist aufgerufen, weiter zu „denken“ angesichts dessen, was ihm die Oberfläche signalisiert.

Seine letzte Steinarbeit (2015), gearbeitet in dem seltenen belgischen „Noir de Mazy“ („Schwarzer Marmor“), zeigt sich als komplexes Konzentrat seiner über ein halbes Jahrhundert währenden Arbeit als plastischer Künstler.

Dieter Eidmann mit Noir de Mazy2015

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Während der Künstler oft wochenlang an Entwürfen seiner Plastiken und Skulpturen mit zahlreichen Zeichnungen und Modellen arbeitete, gibt es bei den Gouachen und Kalligrafien außer der mentalen, meditativ gestimmten Haltung keinen Vorlauf. Die Bilder entwickeln ihre Wirkkraft und Tiefe, je länger man sie anschaut. Sie finden ihre Vieldimensionalität, die die zunächst vordergründig vermisste Nähe und Korrespondenz zu den plastischen Werken aufleuchten lässt. Es sind von Farben gefundene „plötzliche“ Bilder der Skulpturen und Plastiken im anderen Medium.

Die letzten Bilder: Leuchtende Farben und die „eidmannschen“ geometrisch-organischen Formen – hier jedoch – anders als in den Gouachen und Kalligrafien –  in fast plakativer, klarer Abgrenzung voneinander – eröffnen dem Blick Tiefe und Weite und zeugen von der farbräumlichen Kraft der Farbe, die nicht an wieder erkennbare Inhalte gebunden sein muss, aber viele räumliche Sichtweisen ermöglicht. Ineinandergefügte klare Bildräume, zeigen einen leuchtenden, pastosen Farbauftrag, dem Granitmehl beigemischt wurde . In den letzten Stunden seines Lebens entwarf er in winzigen farbigen Entwürfen weitere Bilder dieser für ihn bis dato ungewöhnlichen Arbeitshaltung.

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