Eröffnung der Ausstellung “Innen und Außen – Dieter Eidmann in Büdelsdorf”, 6. Mai 2023

Im Augenschein

Sehr geehrte Frau Biedenbänder, sehr geehrte Frau Kock, sehr geehrter Herr Dr. Sadowsky, sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Bürgerinnen und Bürger von Büdelsdorf und anderswo, liebe Freundinnen und Freunde,

als wir – mein Mann Dieter Eidmann und ich – im Jahr 2013 erstmalig Schloss Gottorf besuchten, um die Werke vor allem von Karl Hartung zu sehen, dessen langjährig vertrauter Meiserschüler mein Mann gewesen war, nahmen wir auch einen Termin bei Fr. Dr. Kirsten Baumann wahr, der damaligen Chefin der Schl.- Holst.Landesmuseen. Gerne hätte mein Mann eines seiner Werke in Nachbarschaft zu seinem einstigen Lehrer aus Berliner Studienzeiten Karl Hartung gesehn, dessen vielfältige Werke auf dem Gelände von Gottorf eine Heimat gefunden hatten. Sympathie gab es sofort auf beiden Seiten, und auch gezieltes Interesse an den bildhauerischen wie vor allem kalligrafischen Werken meines Mannes.

Angelika Janz bei der Eröffnung der Ausstellung Dieter Eidmanns im Eisenkunstgussmuseum Büdelsdorf

Dennoch verloren wir uns aufgrund einiger biografische Geschehnisse und mit der Vorbereitung einer gemeinsamen großen Ausstellungsretrospektive in der Orangerie Putbus, zunächst aus den Augen und erst 2018, zur umfangreichen Einzelausstellung meines Mannes im Herrenhaus Heinrichsruh, ein Jahr nach seinem Tod 2017, sahen wir uns wieder, diesmal in Begleitung von Herrn Dr. Schneider, der für die skulpturalen Gestaltungen im Außenbereich der schleswig-holsteinischen Landesmuseen zuständig war. Nach dem Ausstellungsbesuch in Heinrchsruh gab es im Atelier meines verstorbenen Mannes weitere Sichtungen seiner bildhauerischen, fotografischen und malerischen Werke. Und bei einem gemeinsamen Imbiss im Garten kam dann bei Dr. Kirsten Baumann der zündende Gedanke: Das Eisenkunstgussmuseum in Büdelsdorf kann sich derzeit zwar über eine etwas traurige Wippe freuen, aber sonst deutet – außer der Beschriftung – kein Kunst-Objekt auf das Haus als eines kunstbergenden Hauses hin. Daraufhin folgten in loser Folge eine Reihe Mails und Briefe, mein erster Besuch in Büdelsdorf mit Dieters Tochter Theresa, die heute leider nicht dabei sein kann, geführt von Frau Frau Dr. Baumann und Frau Biedenbänder (vor ihrer Babypause). Es gab weitere Besuche in Aschersleben, zu Aufstellung, Ausstellung und Transport der beiden Skulpturen – die – auch organisatorisch – immer konkreter wurden. Seit letztem Jahr gab es zwischen uns eine fruchtbare kontinuierliche und sorgfältige Zusammenarbeit in Bezug auf die Schenkung beider Skulpturen. Letzter Besuch dann, um bereits die Begleitausstellung zusammenzustellen und zu verpacken und einige Wochen später, am 20. April, die aufregende Transportaktion, Verpackung auf dem Gelände, Bau der Kisten vor Ort und Transport durch vier starke Männer fast einen ganzen Tag lang. Dann Transport zunächst zu einem Steinmetz und später vor Ort, nun verhüllt nur noch für wenige Minuten.

Nun sind sie da, diesmal nicht auf Abstand, sondern als Ensemble, und ich bin selbst gespannt, denn ich sah nur ein Foto von ferne… Warum Stein vorm Haus, wenn Eisen drin ist“, mag man sich heute fragen. Aber auch im Stein, im Granit, besser gesagt: im „schwarzen Schweden“ ist Eisen enthalten, nicht zu knapp, und das zu erklären ist sicher demnächst Bestandteil der Museumspädagogik. Einige Worte nun endlich zu meinem Mann Dieter Eidmann möchte ich nicht versäumen, damit sie den Verursacher dieser wunderbaren visuell wie haptisch besonders erfahrbaren Werke ein wenig kennenlernen können.

Man muss Augenmensch sein, um künstlerisch arbeiten zu können, und das war Dieter zuallererst. Das Auge sieht ja in Zusammenhängen und Kontexten – und es erkennt Kompaktes wie auch Durchdringungen von Formen: eingebettet in Licht, das sich schnell verändern kann. Immer spielen für den interessierten Betrachter Zeit, aktuelle Blickzeit, vergehende Zeit und Tiefenblick eine Rolle. Je länger man ein Bild, ein Foto oder eine plastische Arbeit anschaut, desto tiefer verweist das Werk Dieter Eidmanns auf nächstliegende Dimensionen. So haben wir oft gemeinsam seine Werke betrachtet, fast schon meditativ…

Dieter Eidmanns Liebe zum Handwerk bleibt in all seinen Disziplinen der Kunst, eben auch in Malerei, in der Fotografie und in plastischer Modellarbeit unübersehbar. Als gelernter Goldschmied war er ein ausgezeichneter Handwerker in nahezu allen Bereichen. Seine Arbeitsweise war wie seine Sprache: sorgfältig, ruhig, gründlich und elementar, ohne Beiwerk. So auch sein Umgang mit Menschen – in ruhiger, oft gerade Kindern gegenüber, geduldiger Zugewandtheit, vermittelte er klar formuliertes, kompaktes Wissen nicht allein nur zu Kunst, Kultur und Skulptur, sondern „zu allen Lebenslagen“. Wenig lag ihm an Öffentlichkeit oder ausladendem Kultur- und Politgetöse und er schlug maches regionale Ausstellungsangebot aus, um lieber arbeiten zu können.

Der Künstler hatte, geboren 1940 in Wuppertal, Krieg und Vertreibung von nach Thüringen mit seiner Mutter eindringlich erinnert. Er als Kind erlebte Zeiten der Entbehrung in großer existenzieller Unsicherheit. Diese Prägung begleitete ihn lebenslang, indem er alles Gewachsene und Entwickelte, ob Lebewesen oder „Relikte“ auf besondere Weise achtete und bewahrte. Lange nach dem Studium und der Arbeit als Lehrer und Foto-wie Schmuck-Galerist in jüngeren Jahren, hatte er sich in seiner Wuppertaler Zeit, wieder freischaffend, der künstlerischen Arbeit zugewandt, als wir uns kennenlernten und beschlossen, zu Beginn der 90er Jahre nach Vorpommern – von meiner Seite familiär bedingt – überzusiedeln, wo wir 1993 heirateten. Am Rand der Republik gab es zwar kaum Verdienstchancen für Künstler – doch die Arbeitsbedingungen waren räumlich günstig. Und wir wollten gemeinsam etwas Neues in der spannenden Entwicklungsphase eines neuen Bundeslandes beginnen. Der Aus- und Umbau unseres alten Speicherhauses, den Dieter nahezu ohne Hilfe handwerklich bewältigte und dafür oft seine künstlerische Arbeit unterbrach, nahm die ersten zwei Jahre in Anspruch, während ich, noch gebunden an meine feste freie Mitarbeit als Museumspädgogin im Folkwang-Museum Essen, oft einige Wochen lang für die großen Kunstausstellungen Führungen anbot und Vorträge hielt.

Mit Arbeiten in Stein begann er Mitte der 90er Jahre in der alten Scheune auf dem einstigen Speicher-Gelände in Aschersleben mit Ausrichtung nach Norden, das war ihm wichtig. Unermüdlich am Stein – stets das Modell im Blick – arbeitete er mit Hammer und Meißel, nur zu Beginn kam die Maschine zum Einsatz. Jörg Stampa, damals Steinmetzmeister, beriet ihn bei Materialauswahl und half ihm bei den Umsetzungen der Steine innerhalb des Grundstücks.

Dieter Eidmann erforschte das Wesen des jeweiligen Steins. Er stimmte sich auf die Form und Beschaffenheit des Steins ein. Im Arbeitsprozess selbst gab es immer wieder lange, fast meditative Betrachtungen von allen Seiten. Einmal fragte ein 6-jähriger Nachbarjunge den Künstler: „Was suchst Du in dem Stein?“ Dieter Eidmann kommunizierte mit dem Stein, indem er auf seine Eigenarten und möglichen Makel einging. Er legte keine unumstößliche, oder eine gar willkürlich „kreierte“ Form fest. Aber es gab stets lang erarbeitete Modelle, orientiert am Rohling. Er vermied so größeren Materialverlust. Man kann fast sagen: zwischen ihm und den Steinen innerhalb der Arbeitsprozesse fand ein meditativer Dialog statt. In monate- ja, jahrelanger Geduldsarbeit schuf sich der Künstler mit dem bearbeiteten Stein das Gegenüber einer gestaltetern Natur, dessen „Wesen“ keine brutale Umformung erfahren durfte: Der Stein behielt seine „Bestimmung“, auch, wenn es Irritationen durch Adern und Einschlüsse gab. Sorgfältig wurde ein neues, den Einschlüssen und möglichen Verlusten angepasstes neues Modell zeichnerisch, dann in Ton, dann in gut bearbeitetem Gipsabguss entwickelt. Man kann es in der Ausstellung sehen.

Sein skulpturales Werk weist nicht allein nur glatte Formen auf. Es zeichnet sich durch gespannte Oberflächen einander durchdringender Formen aus, – wie Gestalten eines lebendigen, ungegenständlichen Körpers, Elemente gestalteter Natur, die in aller materialen Härte etwas nahezu Lebendiges vermitteln. Ab 2005 unterstützte er mich gerne in Workshops der „KinderAkademie im ländlichen Raum“, und die Kinder liebten ihn. Er hatte die Jugendkunstschule mit vielen späteren Nachfolgern in NRW und später der gesamten BRD in den 70er Jahren mitgegründet und vermittelte mir viele Erfahrungen aus der Zeit. Mein Mann war – trotz seiner nahezu kompromisslosen Orientierung an der Einfachheit von Kunst und Leben – mit stiller Freude stets offen für Veränderungen und Überraschungen. Seine konkrete Bildhauerkunst begegnete einer expressiven, kalligrafisch geprägten und oft extrem farbfreudigen Malkunst, vor allem in den Wintermonaten. (Katalog). Die pastos angelegten, nicht unbedingt an gefälliger Harmonie orientierten expressiv anmutendenWerke, auf Büttenpapier mit Tusche, Kreide und Gouache-Farben, waren oft mit dem Steinstaub der Skulpturen vermischt. Bilder entstanden oft an Wintertagen, wenn die Scheune für plastisches Arbeiten zu kalt geworden war. Seine Vorliebe in der Malerei gehörte vor allem der japanischen Kalligrafie. (Während all der Jahre gab er auch die Goldschmiedearbeit nie ganz auf. Die Schmuckstücke, vor allem Ohrringe und ungewöhnlich geformte Broschen aus Titan, Gold, Silber und Holz, sind kleine Skulpturen.)

Dieter Eidmanns „Kunst-Geschichte“ vermittelt auch in dieser kleinen Begeitausstellung, wie die einzelnen Werkelemente miteinander verbunden sind, einander durchdringen, auseinander hervorgehen: Vom scheinbar flüchtigen Hauch des fotografischen Blicks, über die ephemere Bildhauerskizze zur augenblickshaft sicher gesetzten Malerei – von dort aus in die dritte Dimension des sorgfältig ausgearbeiteten, gegossenen und in seinen Oberflächen fein gespannten Gipsmodells, das, mit den Jahren an Volumen gewinnend bis hin zur architektonisch angelehten Archiplastik, ein autonomes Kunstwerk wurde. Und in einem letzten Schritt in der aufwendig per Hand gearbeiteten Steinskulptur seine Kunstpräsenz fand.

Dieter Eidmann blieb primär ein Bild-Former (Kein Bild-HAUER/) im wahren Sinne des Wortes. Auch seine bildnerischen Werke sind Wegweiser, stets orientiert am immer plastischen und skulpturalen, mehrdimensionalen Werk, das die Sichtweisen des Künstlers wie auch des Betrachters immer neu animiert. Seine Werke sind im Augenschein des Betrachters (der er ja selbst zuallererst war) ein Spiel mit Formdurchdringungen der Natur. Diese verweisen zugleich auf die Durchdringung der drei Welt-Dimensionen- u n d ihre Überschreitung unseres Daseins in einer Welt, deren Mitte sich ständig verschiebt.

In seinem Text „Über den Granit“ schrieb J.W. Goethe „daß das Höchste und das Tiefste Granit sei, daß diese Steinart, die man nun näher kennen und von andern unterscheiden lernte, die Grundfeste dieser Erde, in einsamer stummer Nähe der großen, leise sprechenden Natur“ gegenwärtig wurde. Heute ist das Atelierhaus in Achersleben, das (mit Fördermitteln des Landes MV) restaurierte Erinnerungsatelier Dieter Eidmann“, in dem neben der Rezeption seines Werkes auch Kulturveranstaltungen angeboten werden, die Dieter entsprochen hätten. So freue ich mich, dass das Ehepaar Gabi und Henry Tesch, das mich bei der Realisation dieses Erinnerungsateliers noch immer begleitet und das Ehepaar Connie und Heinz-Erich Gödecke, das stets zur literarischen und musikalischen Gestaltung der Veranstaltungen beiträgt, heute dabei sind, ebenso wie meine Freunde Gudrun Negnal und Michael Schmal.

Es fehlen auf dem heimatlichen Grundstück nun zwei der besten skulpturalen Werke von Dieter, noch etwas schmerzlich, solange die Erinnerung an die vielen Jahre der Begleitung ihrer Entstehung, Lauschen auf den metallisch-melodisch- hellen Klang von Hammer und Meißel auf dem Stein und das nicht selten Glücksempfinden dabei. Dafür stehen sie aber künftig vor einem kleinen feinen Museum in Büdelsdorf im Land Schleswig -Holstein, komplexe und konkrete plastische Werke, die von einem größeren Publikum als eines im kleinen vorpommerschen Dorf Aschersleben in kreativen Augenschein genommen werden können. Darüber freue ich mich sehr und danke herzlich allen Beteiligten, dass es – nach genau 10 Jahren Vorbereitung – dazu kommen durfte.

Angelika Janz, im März 2023