Endlich konnte das Erinnerungsatelier Dieter Erdmann in Aschersleben eröffnet werden, nachdem mit der  Vorbereitung viele Monate ins Land gegangen waren und im November 2021 die Einweihungsfeier der drei Ausstellungsräume und mit den vier Skulpturen im Gartenbereich coronabedingt ausfallen musste. Zur Freude der Initiatorin Angelika Janz und ihrer fleißigen Helferinnen Gabi und Annelie Tesch mit sachkundiger Unterstützung von Henry Tesch in baulichen Anliegen waren 35 interessierte Besucherinnen und Besucher von nah und fern gekommen.

Die Einführung übernahm Angelika Janz. Sie schilderte den langen Vorlauf mit Beantragung der Unterstützung bei Kreis und Förderinstitut M-V über den Vorpommern-Fonds, um das vielfältige Werk des Malers und Bildhauers lebendig zu halten. Schließlich soll das Atelier zu wechselnden Ausstellungen des Werkes von Dieter Erdmann, des 2017 verstorbenen Künstlers, auch Veranstaltungen und Werkstätten in seinem Sinne für die interessierte Öffentlichkeit, für jung und alt,  anbieten. Gerade junge Leute sollen die Möglichkeit haben, sich mit Texten und Musik zu präsentieren, ebenso gibt es  Angebote für kulturell interessierte BürgerInnen wie Lesungen, Vorträge oder ein Hörspielnachmittag.

Erinnerungsatelier Dieter Eidmann - Eröffnungsrede Angelika Janz

Der einstige Meisterschüler von Karl Hartung, Dieter Eidmann, arbeitete in den letzen zweieinhalb Jahrzehnten überwiegend in Graniten aus Schweden und Afrika. Nur zu Beginn einer Skulpturbearbeitung verwendete er Maschinen und arbeitete dann  „klassisch“ mit Hammer und Meißel, zum Ende hin viele Wochen lang mit Diamant-Schleifpapier, um eine gespannte, samtene Oberfläche zu erwirken, ähnlich einem lebendigen Körper. Die einzelnen Formen durchdringen einander wie in einer sanft geschwungenen Landschaft in unseren Regionen – so  bei der „Liegenden Durchdringung“. Der Betrachter erfährt beim Sehen eine Art „Mehrdimensionalität“ der einander fast übergangslos durchdringenden Formen auch bei den Stelen, die die Freude an der Erfindung und Durchdringung von Formen zu Bewusstsein bringen. Eine feste Interpretation ließ der Künstler offen, überließ sie dem Betrachter selbst, der oft über die Intensität der Ausdruckskraft des bearbeiteten Steins staunt.  Ja, das Berühren der Oberflächen der Granitarbeiten ist ein haptisches Erlebnis!

Erinnerungsatelier Dieter Eidmann
Erinnerungsatelier Dieter Eidmann
Erinnerungsatelier Dieter Eidmann - Vitrinen

Die sogenannten „Archiplastiken“ aus Gips vermitteln  – geschützt unter einer Glasvitrine – die Möglichkeit der Umsetzung in ungewöhnliche architektonische Konzepte, die etwas „Erhabenes“ vermitteln. Sie entstanden in komplizierten  Bearbeitungs- und Gussprozessen, sind  z. T. mehrteilig. Viele seiner Bildhauer- Skizzen aus früheren Tagen entwickelten sich aus diesen sanft geschwungenen ineinandergreifenden und einander durchdringenden abgerundet -geometrischen Formen mit Schattenwürfen, je nachdem, wie das Licht auf sie fällt, um sie noch einmal in ihrer Tiefe zu erleben.

Susan Sonntag sagte einmal: „Schönheit liegt nicht an der Oberfläche, sondern liegt in der Tiefe.“ Das gilt auch für die Malerei des Künstlers, die von der räumlichen Kraft der Farbe lebt.  Hier sind Tuschen und  Gouache-Farben, zum Teil vermischt mit feinem Granitsand, in kräftigen Pinselstrichen oder im pastosem Spachtelauftrag entstanden. Auch angesichts des malerischen Werkes ist der Betrachter aufgerufen, die eigene Betrachtungsweise zu entwickeln. Zur informellen Malerei kam der Künstler, der sehr zurückgezogen in Ascherleben lebte, von der Bildhauerskizze zur Kalligrafie und von dort zur Gouache, zum Teil mit großen japanischen Pinseln oder mit Spachteln. Viele der farbig oft gewagten und lebensfreudigen Werke entstanden in wenigen Minuten nach einer Zeit der Meditation  vor dem weißen Blatt, zumeist auf Büttenpapier. Dieter Eidmann unterstützte Angelika Janz intensiv bei der Gründung und Realisierung der „KinderAkademie im ländlichen Raum“, – er war selbst Mitbegründer der Jugendkunstschulen in den 70er Jahren.

Erinnerungsatelier Dieter Eidmann - Eröffnungskonzert

Die Eröffnung wurde von Künstlern verschiedener Disziplinen gestaltet. Zum Wesen des Steins vermittelte Michael Schmal mit dem Vortrag des Gedichtes „Ich klopfe an die Tür des Steins“ von der Nobelpreisträgerin 1996 Wislawa Szymborska einen expressiven lyrischen Dialog.

Annelie Tesch las einfühlsam das für Dieter Eidmann geschriebene Gedicht „Steinaufblitzen“ von dem Kunsthistoriker, Soziologen,  Dichter und Performer Jerzy Kaczmarek, der 2021 verstarb.

Wunderbare Musikstücke spielten das Ehepaar Patricia-Christiane Schwab (Querflöte und Irische Harfe) und Kaspar-Michael Schwab (Cello), die sicher nicht das letzte Mal hier gastierten.

Heinz-Erich Gödecke entwickelte mit Posaune und Schlagzeug eine beeindruckende Improvisation für Dieter Eidmann, in der er zeigte, was sich aus dem Instrument Posaune  – auch als Antwort auf das Gedicht von Szymborska –  „Ich klopfe an die Tür des Steins“ – herausholen lässt. Die Zuhörer waren beeindruckt, ja betroffen. Er ist ein „gern gehörter Gast“ bei den Ausstellungen Dieter Eidmanns.

Geplant bereits im Mai ist an diesem neuen Kulturort nahe Ferdinandshof schon bald ein „Abend russischer Literatur“, um so dem gegenwärtigen Ablehnungstrend gegen alles „Russische“ eine literarische Antwort zu vermitteln.

Für alle, die gerne singen und wenig Gelegenheit dazu haben, ist ein animiertes „Erinnerungssingen“ geplant. Jeder, der Lust hat, spontan und auf Liedvorschlag mit anderen zu singen, ist eingeladen, dies soll Anfang Juni stattfinden. Auch Kreativwerkstätten für Kindergruppen sollen angeboten werden.

Das Erinnerungsatelier ist an den Wochenenden 14-tägig von 14 bis 18 Uhr geöffnet und nach telefonischer Vereinbarung 039778/20305 gerne mit sachkundiger Führung. Der Eintritt ist frei.

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Die Ankündigung und der Bericht über die Eröffnung im Nordkurier im April 2022

Alle Fotos auf dieser Seite: Angelika Tesch